Zeitarbeit – wichtiger Bestandteil des deutschen Arbeitsmarktes
Die Höchstüberlassungsdauer ist einer von vielen Indikatoren dafür, wie sich Rolle, Fremd- und Selbstverständnis der Zeitarbeitsbranche und –arbeitnehmer:innen gewandelt haben.
Heute vermitteln in dieser Branche deutschlandweit zigtausende Unternehmen. Gemeinsam mit ihren Angestellten leisten sie einen wichtigen Beitrag, damit Wirtschaft und Gesellschaft funktionieren. Vor allem dann, wenn Flexibilität und kurzfristiges Reagieren gefragt sind – etwa bei Personalengpässen oder Auftragsspitzen.
Die Beschäftigten der Zeitarbeitsbranche unterstützen in den verschiedensten Branchen, darunter
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Industrie
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Handel
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Logistik
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Alten-, Kranken- und sogar Intensivpflege
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Bildung
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u. v. m.
Die Bandbreite reicht dabei bis hin zu hochspeziellen Anforderungsprofilen. Und oft werden aus Zeit- feste Arbeitsverhältnisse: ein weiterer wichtiger Beitrag zu einem funktionierenden Arbeitsmarkt und einer intakten Gesellschaft.
Das wurde nicht immer so gesehen – die heute viel positivere Wahrnehmung ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Entwicklung.
Wie viel Zeit bedeutet „Zeitarbeit“?
Doch was hat die Höchstüberlassungsdauer damit zu tun? Wie positiv sich Akzeptanz und Anerkennung von Zeitarbeit verändert haben, lässt sich auch daran ablesen, wie die Höchstüberlassungsdauer über die Jahrenahezu kontinuierlich gestiegen ist[LINK nach unten->Exkurs: Geschichte …].
Denn was „Zeit“ in „Zeitarbeit“ bedeutet, wurde immer wieder neu bestimmt. Zeitarbeit – auch Leiharbeit oder Arbeitnehmerüberlassung – bedeutet, dass ein Leiharbeitsunternehmen einem anderen Unternehmen gegen Entgelt Personal zur Verfügung stellt oder „überlässt“. Und zwar für eine begrenzte Zeit.
Doch wie lange ist diese „Zeit“ – oder wie lange darf sie dauern? Das ist in Deutschland klar gesetzlich geregelt: mit der Höchstüberlassungsdauer.
Was ist die Höchstüberlassungsdauer?
Die Höchstüberlassungsdauer gibt an, wie lange Arbeitnehmer:innen von einem Zeitarbeits– an ein Kundenunternehmen ausgeliehen werden dürfen. Der Sinn dieser Regelung liegt vor allem darin, die Leiharbeiter:innen selbst sowie auch die festen Arbeitsplätze zu schützen. Es soll verhindert werden, dass „normale“ Arbeitsplätze mit all ihren Schutzmechanismen (z. B. Kündigungsschutz) sukzessive durch Zeitarbeits-Stellen ersetzt werden. Die Leiharbeiter:innen sollen nicht dauerhaft beschäftigte Arbeitnehmer:innen werden, die andere Rechte gegenüber dem Kundenunternehmen haben als ihre dort fest angestellten Kolleg:innen.
Wie lange dürfen Arbeitnehmer:innen höchstens ausgeliehen werden?
Laut § 1 Abs. 1 Satz 2 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) darf die Überlassungsdauer in der Regel maximal 18 Monate betragen.
Die Zeitarbeitskraft soll nach Ablauf der Höchstüberlassungsdauer weiter beim Kundenunternehmen arbeiten? Dann muss sie von diesem unbefristet und sozialversicherungspflichtig übernommen werden. Andernfalls geht sie zurück zum Zeitarbeitsunternehmen, bei dem sie (eigentlich) angestellt ist. Dann kann sie von diesem wieder vermittelt werden – nur nicht an das Kundenunternehmen, bei dem sie eben aufgehört hat.
Exkurs: Geschichte der Höchstüberlassungsdauer
Die Existenz einer Höchstüberlassungsdauer ist ein wesentliches Merkmal der Arbeitnehmerüberlassung. Die derzeit geltenden 18 (bzw. mit Verlängerung 24) Monate sind jedoch erst seit 2017 festgeschrieben. Ein Blick in die Geschichte der Höchstüberlassungsdauer in Deutschland zeigt, wie sich der politische und gesellschaftliche Blick auf Zeitarbeit mit der Zeit deutlich entspannt hat:
1972: Höchstüberlassungsdauer 3 Monate
1985: Verlängerung auf 6 Monate
1994: Verlängerung auf 9 Monate
1997: Verlängerung auf 12 Monate
2002: Verlängerung auf 24 Monate
2003: Im Zuge der Hartz-Gesetze entfällt die Höchstüberlassungsdauer.
2011: Die Leiharbeitsrichtlinie (Richtlinie 2008/104/EG) legt fest, dass die Überlassung „vorübergehend“ sein muss.
2017: Die Höchstüberlassungsdauer wird auf 18 Monate festgelegt, darf jedoch ggf. bis auf 24 Monate verlängert werden.
Mit heute 18, maximal 24 Monaten hat sich der gesetzliche Rahmen also seit 1972 verachtfacht. Die Zusammenarbeit von Zeitarbeits- und Kundenbranchen, Politik, Gewerkschaften und Zeitarbeitskräften hat offensichtlich dazu beigetragen, Zeitarbeit in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. Der Charakter derArbeitsverhältnisse wurde der Sicherheit fest angestellter Arbeitnehmer:innen angeglichen. Und Zeitarbeit ist längst mehr als nur ein dreimonatiger Noteinsatz.
Wie wird die Überlassungsdauer berechnet?
Die Überlassungsdauer beginnt am ersten Arbeitstag der Arbeitskraft beim Kundenunternehmen. Entsprechend endet sie am letzten dortigen Arbeitstag. Hier ist es wichtig, die Fristen im Blick zu behalten und die Einsätze der Zeitarbeitskräfte genau zu dokumentieren. So werden Irritationen etwa bei späteren Prüfungen vermieden.Oder gar Überschreitungen und die damit verbundenen Konsequenzen.
18 Monate – einfache Zahl, nicht ganz einfach zu berechnen
Liegen zwischen zwei Einsätzen beim selben Kundenunternehmen mehr als 3 Monate? Dann beginnt die Überlassungsdauer von vorn – und damit die 18 Monate Höchstüberlassungsdauer. Andererseits sind zwei bzw. mehrere Einsätze beim selben Unternehmen zusammenzuzählen, wenn die Unterbrechung(en) weniger als 3 Monate betragen (§ 1 AÜG Absatz 1b). Sogenannte Kettenüberlassungen, vor Inkrafttreten dieser Regelung 2017 häufig angewendet, sind somit verboten.
Arbeitnehmer:innen-bezogene Berechnung
Wichtig: Die Überlassungsdauer ist bezogen auf die einzelne Arbeitskraft. Deshalb ist unbedingt zu prüfen, ob sie bereits bei dem entleihenden Unternehmen gearbeitet hat – z. B. auch als vorherige:r Angestellte:r eines anderen Personalunternehmens. War die Pause kürzer als 3 Monate, müssen beide Einsätze zusammengezählt werden.
Separat betrachtet hingegen werden die Einsatzzeiten in verschiedenen Unternehmen eines Konzerns: Diese gelten als unterschiedliche Entleiher.
Nicht angerechnet werden
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zwischenzeitliche Einsatzzeiten bei anderen Kunden
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einsatzfreie Zeiten
Für Urlaub und Krankheit ist das nicht ganz klar. Um rechtlich auf Nummer sicher zu gehen, ist es jedoch zu empfehlen, diese Zeiten mit anzurechnen.
Höchstüberlassungsdauer: Da geht noch mehr. Vielleicht.
Ja: Wie schon angedeutet, gibt es Ausnahmen von der Höchstüberlassungsdauer. Im Prinzip gilt bei vielen Regelungen zur Leiharbeit, dass Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen andere Regelungen treffen können.Die Höchstüberlassungsdauer kann in diesem Rahmen auf maximal bis zu 24 Monate verlängert werden. Neben einer längeren Höchstüberlassungsdauer als 18 Monate kann dabei übrigens auch eine kürzere maximale Dauer vereinbart werden.
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Tarifgebundene Unternehmen können einfach abweichende Regelungen aus dem jeweiligen Tarifvertrag (Arbeitgeberverband der Einsatzbranche, Haustarifvertrag) anwenden. Beinhaltet der Tarifvertrag lediglich eine Öffnungsklausel, muss mit dem Betriebsrat in einer Betriebs-/Dienstvereinbarung eine konkrete Regelung getroffen werden.
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Nicht tarifgebundene Unternehmen müssen sich ebenfalls mit dem Betriebsrat verständigen. Eine abweichende Regelung können sie z. B. aus dem Tarifvertrag der Einsatzbranche übernehmen oder die dortige Öffnungsklausel anwenden.
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Zudem gibt es eine Ausnahme zur Überbrückung von Auftragsspitzen: Ist dies notwendig und wird es im Einzelfall durch die Bundesagentur für Arbeit genehmigt, darf die Überlassungsdauer auf bis zu 24 Monate ausgedehnt werden.
Und was passiert, wenn?
Wird die gesetzliche Höchstüberlassungsdauer überschritten, drohen natürlich rechtliche Konsequenzen:
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Der Arbeitsvertrag zwischen Zeitarbeitsunternehmen und Leiharbeitnehmer:in wird unwirksam. Durch eine sogenannte „Festhaltenserklärung am Arbeitsvertrag“ kann die Zeitarbeitskraft dennoch am Arbeitsvertrag festhalten. Dies muss innerhalb eines Monats schriftlich bei der Bundesagentur für Arbeit erfolgen.
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Das Kundenunternehmen kann verpflichtet werden, den/die Zeitarbeitnehmer:in zu übernehmen und einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten.
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Sowohl Verleiher als auch Kundenunternehmen können mit Bußgeldern belegt werden. Und zwar immerhin bis zu 30.000 Euro. Dabei ist – neben dem finanziellen Schaden – zu beachten, dass jede rechtskräftige Geldbuße über 200 Euro in das Gewerbezentralregister eingetragen wird.
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Dem Verleiher kann die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis entzogen werden.
Fazit:
Die gesetzliche Höchstüberlassungsdauer bei Zeitarbeitskräften ist eine wichtige Regelung. Sie trägt dazu bei, Missbrauch von Leiharbeit zu verhindern, und schützt sowohl Zeit- als auch fest angestellte Arbeitnehmer:innen.Dass sie seit Anfang der 70er-Jahre nahezu stetig erhöht wurde, zeigt: Zeitarbeit ist in der Politik und der Mitte der Gesellschaft angekommen und angenommen. Sie wird als wichtiger Teil der Arbeitswelt anerkannt undakzeptiert – auch weil der Schutz der Arbeitnehmer:innen heute angemessen gewährleistet werden kann. Seit dem Inkrafttreten der AÜG-Reform im April 2017 beträgt die Höchstüberlassungsdauer nun im Regelfall 18 Monate. Sie kann unter bestimmten Umständen auf bis zu 24 Monate verlängert werden. Unternehmen sollten sich an die damit verbundenen Regelungen halten, um rechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen zu vermeiden.
Autor: Ludwig Herrmann